Jak angelt das Glück

Eine Gutenachtgeschichte, die glücklich macht.

Der Anglerwinzling-Junge Jak braucht dringend ein wenig Glück. Wird sich ein Glückwürmchen auf seine Angel setzen?

illustriert von Iwona Korycka

gelesen von Elena MareschInstagram: stimmwelten.elenamaresch

Es ist tief in der Nacht. Ein paar Anglerwinzling-Kinder klettern an einer Laterne nach oben, setzen sich und lassen ihre Beinchen baumeln. Sie sind klein wie eine Kastanie und grün wie das Moos am Baum, deshalb könnt ihr sie auch fast nicht sehen. Dort oben auf der Laterne ist für sie der perfekte Ort zum Glückangeln.

Jak, ein kleiner Anglerwinzling-Junge, ist zum ersten Mal dabei. Seine Händchen zittern vor Aufregung, als er seine blauschimmernde Angel auswirft. Mit einem feinem Pusteblumenschirmchen hat er die spinnwebendünnen Schnüre mit blauer Leuchtfarbe bestrichen. Und natürlich die kleinen Sandkörner, die Anglerwinzlinge als Köder benutzen. „Das machen wir schon seit vielen Generationen so“, hat ihm sein Vater an dem Tag erklärt, als sie gemeinsam Jaks erste Glückangel geschnitzt haben.

Nun will Jak sein erstes Glückwürmchen angeln. Glückwürmchen sind nicht größer als ein Staubkorn. Sie schweben lustig durch die Lüfte, hin und her und hoch und runter und gerade so wie es ihnen gefällt. Eines aber zieht sie magisch an: blaues Licht! Entdecken sie gar ein blaues Sandkorn, setzen sie sich nur zu gern darauf, um eine kleine Rast einzulegen.

Jak schielt zu den anderen Anglerwinzling-Kindern, die entspannt vor sich hin pfeifen. Am liebsten würde er ihnen die Zunge herausstrecken. Aber er traut sich nicht. Heute Nachmittag haben sie ihn alle zusammen ausgelacht, weil er fünfmal hintereinander über seine eigenen Füße gestolpert ist. Momentan läuft es einfach nicht gut. Deshalb braucht Jak ja auch so dringend ein wenig Glück.

„Das Glück ist blau!“ flüstert Jak und hofft inständig, dass sich wenigstens ein Glückwürmchen für ein paar Sekunden auf das Sandkorn an seiner Angelschnur setzt. Drei Sekunden reichen, damit man am nächsten Tag nicht über seine eigenen Füße stolpert. Fünf Sekunden, und es plumpst einem eine ganz besonders saftige Himbeere direkt vor die Füße!

Unauffällig wirft Jak den anderen Anglerwinzling-Kindern einen Seitenblick zu und murmelt trotzig: „Dann habt ihr mich das letzte Mal ausgelacht!“

Doch die Stunden vergehen glücklos. Kein Glückwürmchen weit und breit. Jak gähnt, reibt seinen Hintern, der vom langen Sitzen schmerzt, und seufzt niedergeschlagen. Bald wird es wieder hell werden. Seine erste Glückangelnacht ist eine Pechnacht. Is‘ ja mal wieder typisch! Morgen wird er garantiert wieder über seine eigenen Füße stolpern. Und dann werden die Kinder ihn wieder auslachen!

Während Jak so vor sich hin grübelt, ruft ein Anglerwinzling-Mädchen: „Lasst uns abhauen. Da kommt heute kein Glückwürmchen mehr.“ Sie zeigt mit ihrem Fingerchen auf Jak. „Kein Wunder … wenn der dabei ist!“

Jak presst die Lippen aufeinander. Seine Augen füllen sich mit dicken Tränen. Solche Fieslinge! Er flüstert: „Ich kann doch nichts dafür, dass mir das Glück fehlt.“ Aber die anderen hören ihn gar nicht, sie lassen ihn sitzen und verschwinden.

Da ruckelt es an seiner Angel.

Was ist das?

Jak traut seinen Augen kaum. Da sitzt … tatsächlich … ein Glückwürmchen auf seinem Sandkorn-Köder! Noch nie zuvor hat er ein echtes Glückswürmchen gesehen. Staunend betrachtet er das Wesen, das wie eine zarte, glitzernde Feder aussieht.

Der Anglerwinzling-Junge fühlt sich sofort besser: In seinen Fingerchen beginnt es zu kribbeln, sein Herzchen schlägt freudig ein wenig schneller, seine Augen strahlen. Die Müdigkeit ist wie weggepustet. Jak kann nicht anders: Er muss jubeln!

Das Glückwürmchen erschrickt und schwebt davon. Egal! Es war mindestens fünf Sekunden lang bei ihm, der nächste Tag wird wundervoll werden. Und die anderen, ha, die werden Augen machen! Grinsend packt Jak seine Angel ein und klettert die Laterne hinunter. Schnell läuft er nach Hause – und stolpert dabei kein einziges Mal! Überglücklich kuschelt sich Jak zu seinen Eltern ins Bett und kann den nächsten Tag kaum erwarten.


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